Mehr Haltung, bitte!
Lassen wir uns erpressen?
Es wird immer ungleiche Partner geben. Es wird immer Situationen geben, in denen der Schwächere in der stärkeren Position ist. Im Idealfall gehen Partner freundschaftlich und fair miteinander um. In der Realität versucht der Partner in der stärkeren Position seinen Willen durchzusetzen. Was dann?
Beispiele aus der aktuellen Weltpolitik:
Amerika steigt aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran aus
US-Präsident Trump verstieß nicht nur gegen geschlossene Verträge, er kündigt sie sogar (was einseitig eigentlich gar nicht möglich ist). Nun fordert der amerikanische Botschafter in Deutschland die westlichen Unternehmen auf, die geschäftlichen Kontakte mit dem Iran abzubrechen und er droht offen mit Sanktionen für die Firmen, die sich nicht an die Weisung aus Amerika halten. Es ist eine unverhohlene Aufforderung, rechtlich bindende Verträge zu missachten. Die deutsche Politik wirkt ziemlich hilf- und ratlos. Es geht nämlich nicht nur um den Irak: Es geht um einen drohenden Handelskrieg und letztlich um den Rückzug der Amerikaner aus Europäischen Engagements. Steht vielleicht sogar der Fortbestand der NATO in Frage? Der Verdacht drängt sich auf, weil auch einem US-Präsidenten klar sein muss, dass ein Gegeneinander Vertrauen zerstört und ein fragiles Bündnis nicht viel ausrichten kann. Er hat es ja auch schon offen gesagt (was bei Trump jedoch nichts heißt).
Ein Vertrag mit den Veto-Mächten plus Deutschland und dem Iran wurde 10 Jahre lang verhandelt. Nun wirft Amerika alles hin und fordert die Welt auf, ihnen zu folgen. Und unsere Politiker sehen keine Möglichkeiten, solchen „Partnern“ die Stirn zu bieten. „Man darf die Sache nicht eskalieren lassen“, ist die einmütige Parole. Oder ist es eine Ausrede, Problemen aus dem Weg zu gehen? Ist es wirklich die Lösung, Unrecht zuzulassen, um kurzfristig möglichen Schaden abzuwenden?
Der Deal mit Erdogan
Türkische Soldaten besetzen völkerrechtswidrig die Kurdengebiete im Norden Syriens. Es gibt in der Türkei keine unabhängige Jusitz mehr. Vermutete Regimegegner und kritische Journalisten werden ohne Anklage über Jahre gefangen gehalten. Weder EU noch Deutsche Politiker finden hierfür klare Worte, von Konzequenzen ganz zu schweigen. Im Gegenteil: Die Türkei ist immer noch offizieller EU-Beitrittskandidat und bekommt dafür Fördergelder aus dem EU-Haushalt, obwohl jeder Politiker beteuert, dass die Voraussetzungen für einen Beitritt in weite Ferne gerückt sind.
Was sind die Gründe für diesen Widersinn? Es ist nicht nur der Flüchtlingsdeal mit Erdogan, wonach uns die Türkei gegen gute Bezahlung die Flüchtlinge vom Leib hält. Es ist auch die Sorge des Westens – und Erdogans mehr oder weniger offene Drohung – sich Russland zuzuwenden, wenn wir nicht nach seiner Pfeife tanzen.
Das Tabu Israel
Mit der Annexion der Golanhöhen, des Gazastreifens, des Westjordanlandes, Ostjerusalems und der Sinai-Halbinsel, mit dem rücksichtslos andauernden Siedlungsbau und der systematischen Unterdrückung der Palästinenser verstößt Israel gegen international geltendes Recht. Internationaler Gerichtshof und UNO werden de facto nicht anerkannt. Halbherzige Bekundungen aus Deutschen und Europäischen Regierungskreisen, dass es eine zwei-Staaten-Lösung geben müsse und der Siedlungsbau völkerrechtswidrig sei, greifen nicht. Der deutsche Außenminister sagte bei seinem jüngsten Israelbesuch sogar zu, dass Deutschland immer an Israels Seite stehen wird, komme, was da wolle. Ein solcher Freibrief wird sicher nicht zum Frieden beitragen. Er bestätigt die Falken!
Ist es ein Wunder, dass Unterdrücker unbeliebt sind? Ist der arabische Hass auf den Staat Israel nicht von ihm selbst geschürt? Warum werden kritische Äußerungen zu Israel als Antisemitismus diffamiert. Der erhobene Zeigefinger des israelischen Botschafters genügt und deutsche Politiker ducken sich weg oder ergreifen Partei für Israel.
Ich weiß sehr wohl, dass Israel nicht die „Bösen“ und Palästinenser nicht die „Guten“ sind. Aber wo Unrecht geschieht, müssen wir es nicht nur deutlich benennen. Es müssen auch Konsequenzen folgen!
Haltung zeigen
Diese drei Beispiele machen deutlich, dass ein Abwägen möglicher Vor- und Nachteile zwar kurzfristig Ruhe bringen mag. Langfristig jedoch müssen wir eine Haltung einnehmen und nach außen tragen, die unseren Freunden wie Feinden klar zeigt: Wir sind nicht erpressbar!
Das ist natürlich schwieriger, wenn man Kompetenzen nach Europa abgibt, dieses Europa jedoch zerstritten, jeder Staat nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist und das große Ganze aus dem Blick gerät. Aber auch in Europa müssen wir Haltung zeigen: In der Flüchtlingspolitik, zur Währungspolitik oder bei außenpolitischen Divergenzen. Wer sagt uns, was die rechte Haltung ist? Unsere Seele – sie lügt nie! Der Lohn wird eine bessere Welt sein.
Sicher können wir nicht alle Ordnung über Bord werfen. Aber wir können neu gestalten, selbständiger werden, uns freier machen von Erpressbarkeiten. Auch dazu bedarf es einer Haltung.
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